DRAHTESEL-Autor Klaus Brixler nimmt am Stilfser Joch -Radtag teil

Himmelfahrt: Klaus Brixler

48 Kehren auf 26 Kilometern, 1.900 Höhenmeter, das alles bei Regen und herbstlichen Temperaturen. Unser Autor reist zum „Stilfser Joch Radtag“. Wird er den legendären Pass bezwingen?

Es ist 8 Uhr morgens und aufgeregt trippeln Radfahrende mit ihren Radschuhen über den Hauptplatz von Prad am Fuß des Stilfserjochs. Hier findet sich eine von insgesamt drei Labstationen, an denen mensch sich stärken und wärmen kann: sehr willkommen bei zehn Grad Temperatur und Regen. Umso mehr, als nichts dafür spricht, dass es auf dem Weg zur auf 2760 Meter gelegenen Passhöhe gemütlicher werden könnte.

Bei dem bereits zum 14. Mal stattfindenden „Stilfser Joch Radtag“ ist wie jedes Jahr die Passtrasse von der Früh bis 16 Uhr den Radfahrenden vorbehalten. Auch Läufer, Inlineskater und Handbiker mischen sich unter die Teilnehmenden. Ich selbst bin zum zweiten Mal dabei. Diesmal ist uns allerdings kein Sonnenschein gegönnt, was aber ebenfalls seinen Reiz hat. So sieht man quasi das gesamte Produktportfolio an Regenbekleidung, das die Industrie in den letzten Jahren hervorbrachte. Niemand wirkt ob des immer wiederkehrenden Regens betrübt. Stattdessen wird die kollektive Vorfreude auf ein außergewöhnliches Erlebnis spürbar: 48 Kehren auf knapp 26 Kilometern, jede einzelne nummeriert.

Es geht los – die erste Kehre (Nummer 48) lässt fast zehn Kilometer auf sich warten, während man bei moderater Steigung den Suldenbach

 

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Nationalpark Stilfserjoch

Foto: Klaus Brixler

Foto: Klaus Brixler

Foto: Klaus Brixler

Foto: Klaus Brixler

 

 

entlang fährt. Auf rund 1550 Metern Höhe die Ortschaft Trafoi, wo einem die neugierigen Hotelgäste Mut zusprechen. Weiter geht es, der Wald wird lichter, um von Kehre 24 aus erstmals den Blick auf den phänomenalen Schlussanstieg freizugeben.

Das fröhliche Geplauder, das mich die erste Hälfte des Anstiegs begleitet hat, verklingt und weicht angestrengten Atemgeräuschen. 4.104 Radfahrende klettern diesmal den Berg hinauf. Im Jahr zuvor waren bei Kaiserwetter fast doppelt soviele (was teilweise zu einem veritablen Gedränge geführt hatte). Nachdem es keine Zeitnehmung gibt, können die Teilnehmenden ihr Tempo selbst bestimmen.

Auf die letzten sieben Kilometer entfallen fast 700 Höhenmeter. Der grandiose Ausblick beflügelt auf der teilweise bizarr anmutenden Straße die schwerer werdenden Beine. Ein heroisches Gefühl befällt den Körper, das mehrmals relativiert wird, als einzelne Teilnehmende ihren Nachwuchs im Kinder-Anhänger nachziehen.

Insgesamt überwiegt die Euphorie: Das Kehren-Schild mit „Nr 1“ will man umarmen. Auf der letzten 500 Meter langen Gerade fühle ich mich, als stünde ich kurz vor dem Gewinn der Tour de France.

Auf dem Pass angekommen finde ich mich in einem beängstigendes Gewusel wieder: Alle steigen hier ab und wechseln in trockenes Gewand. Mit dem Ende der Anstrengung wird die Kälte spürbar. Hinunter empfiehlt sich übrigens die Abfahrt über den Umbrailpass und Santa Maria in der Schweiz – damit entgeht man der teilweise recht engen Abfahrt durch die noch herauffahrenden Radfahrer. Auch über diese Strecke gelangt man nach Prad zurück, wo das Radabenteuer nahtlos in ein Volksfest übergeht.

Ich habe (mit einigen Fotopausen) übrigens rund vier Stunden gebraucht. Eine unvergessliche Fahrt, die ich jedem ambitionierten Bergradfahrenden ans Herz legen möchte. Die nächste Chance dafür gibt es am 29. August 2015.

Wir sehen uns dort.

Stilfser Joch
Das Stilfser Joch verbindet Bormio im Veltlin, Lombardei, mit Prad im Vinschgau, Südtirol. Es stellt einen, wenn nicht den bekanntesten Pass in den Alpen dar. Insbesondere die Nordauffahrt von Prad zählt mit ihren ausgesetzten Kehren im Schlusshang zu den berühmtesten und beeindruckendsten Anstiegen und wird auch beim Giro d’Italia gefahren.

Anreise
Mit dem Zug nach Innsbruck und über den Brenner nach Bozen.

Unterkunft
Da das Vinschgau rundum touristisch perfekt erschlossen ist, gibt es eine Vielzahl an Pensionen, Hotels und sonstigen Unterkünften. Hier sollte man aber mit der Buchung möglichst früh dran sein, rund um den Radtag füllen sich Unterkünfte rasant.