Rennrad in Südafrika – Überwintern für Sportbegeisterte
Drahtesel-Kolumnist und Extremsportler Michael Strasser hat sein Wintertraining nach Südafrika verlegt. Hier erklärt er, warum.
Für mich geht’s heuer bereits zum siebenten Mal nach Südafrika. Dem kalten Winter entfliehen, ist meine Devise. Aber es geht nicht nur um das perfekte Klima – noch nie habe ich einen anderen Ort erlebt, wo der Sport in all seinen Spielformen so dermaßen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hat. Es ist der Spirit, der diese Region für mich zu einem genialen Trainingsdomizil hat werden lassen.
Speziell der Rennrad-Sport ist beliebt. Wie auch die „Cape Town Cycle Tour“ (ehemals „Cape Argus“) zeigt, ein Radrennen im März mit 35.000 Startern aus der ganzen Welt. Bei der Umsetzung einer ausgeglichenen „Work-life-balance“ ist uns Südafrika um einiges voraus. Ganz selbstverständlich gehören Sport und Bewegung zum täglichen Ausgleich.
Jeder dort hat inzwischen verstanden, dass eine Stunde Bewegung pro Tag in mehr Produktivität und Lebenslust resultiert. Egal, ob Arbeitende oder Top-Manager, alle Menschen hier scheinen „Early Birds“ zu sein, die einander schon um 5.30 Uhr morgens zur gemeinsamen Rennradausfahrt treffen. Rechtzeitig um 8 Uhr sind sie bereits zurück, wenn die reguläre Arbeitswelt erwacht.
Persönlich wohne ich außerhalb von Kapstadt, einem Ort namens Stellenbosch, welcher für seine großartigen Sportanlagen (und den guten Wein) bekannt ist. In „Stellis“, wie das Sport-Mekka des Landes von den Einheimischen genannt wird, treffen sich zur europäischen Winterzeit die Top-Athleten der nördlichen Hemisphäre. Nicht selten sitzt man nach dem Radeln im „Ride-in-Cafe“ am Tisch neben Weltmeistern oder Olympiasiegerinnen. Ganz entspannt und ohne Star-Allüren trinkt man grüne Smoothies und verabredet sich – ein bisschen Vitalität in den Beinen vorausgesetzt – zur nächsten gemeinsamen Ausfahrt.
Abwechslung bringt´s – weltbekannte Mountainbike Anlagen laden ein, das Rennrad auch mal für ein paar Tage zur Seite zu stellen. Tagelang kann man sich Trail für Trail erarbeiten, ohne auch nur eine Strecke zwei Mal zu fahren.
Wer nicht sein eigenes Bike mitbringen möchte, findet bei den zahlreichen Verleihern genügend Auswahl. Eines unterscheidet sich aber grundsätzlich zu den Bike-Parks bei uns: Aufstiegshilfen sind verpönt, Lifte gibt’s dort keine – es geht ja um die Bewegung ;)!
Hier wohnt man in kleinen Apartments, trifft sich abends mit Einheimischen zum Essen in einem der Restaurants. Noch nie habe ich durchgehend so gute Qualität zu durchwegs geringen Preisen gesehen. Hotelburgen mit „all-you-can-fress-buffet“ gibt’s zum Glück keine.
Am Wochenende trifft man sich dann zur großen Kap-Runde. Ein absolutes Highlight: Auf wohl einer der großartigsten Küstenstraßen der Welt, dem „Chapmans Peak Drive“ schlängelt man sich in 114 Kurven, unmittelbar zwischen Meer und steilen Felswänden entlang von Kapstadt bis zum Kap der Guten Hoffnung. Übrigens, auf diesen besagten Kurven hatte ich 2016 bei meiner Kontinentaldurchquerung auch meinen ersten Sturz – 11.000 Kilometer von Kairo bis Kapstadt unfallfrei – auf den letzten Kilometern, abgelenkt von der faszinierenden Landschaft, passierte es dann. Schürfwunden und Prellungen gehören zum Leben eines Rad-Sportlers aber dazu. In diesem Sinne: Genießt die Stunden am Rad, und vielleicht trifft man sich ja mal in Südafrika.
Weitere „Wintersport-Orte“
Mallorca – Als Geheimtipp würde ich diese Insel schon lange nicht mehr bezeichnen. Jeden Frühling pilgern tausende auf die Mittelmeerinsel. Die Infrastruktur und das Straßennetz sind inzwischen für die Radfahrer optimiert. Fernab vom Ballermann erwartet euch ein bergiger Norden mit einigen absoluten Klassikern wie den Anstieg von „Sa Calobra“, den man einmal im Leben gefahren sein muss. Einzig das Wetter lässt oft zu wünschen übrig. Stabiles warmes Wetter gibt’s erst ab Mitte März.
Teneriffa ist die größte der kanarischen Inseln, im europäischen Winter eine wirkliche Option und wohl auch ein Rad-Paradies. Eines muss man aber klar sagen: Flache Strecken zum lockeren „Rollen“ findet man sehr schwer. Permanent geht’s bergauf-bergab. Radsportelnde sollte schon über die Grundlagen verfügen, ansonsten wird man auf den Anstiegen bis zum Kraterrand auf 2500 Meter Seehöhe ganz schön fluchen.
Wer nicht unbedingt ins Flugzeug steigen möchte, der findet auch in Kroatien gut ausgebaute Rad-Infrastruktur vor. Einzig das Klima stellt hier wieder das entscheidende Kriterium dar. Für wirkliches Winter-Training muss man schon sehr weit in den Süden fahren. Im Frühjahr kann ich Istrien empfehlen. Tolle Landschaften, verkehrsberuhigt im Hinterland – herrlich.