Die Bahn und das Rad sind zwei klimafreundliche Verkehrsmittel, die sich gut ergänzen. Oder eher: ergänzen würden – denn die Bahn-Unternehmen machen es Kund*innen mit Rad nicht leicht.

Recherche: Mario Sedlak, Fotos: lorenzophotoprojects – stock.adobe.com, Peter Provaznik, Valerie Madeja.

Es könnte so schön sein: In den Zug einsteigen, Fahrrad anschließen, ein paar Stunden später wieder aussteigen und mit dem Rad das Urlaubsland erkunden. In der Realität sind oft starke Nerven, Charme und Improvisationstalent gefragt, wenn man mit Rad in einen Fernzug steigen will. Während im Nahverkehr die Mitnahme eines Rades meist unproblematisch ist, gibt es in Fernzügen entweder sehr wenige Stellplätze oder gleich gar keine. Einzig Falträder bis zu einer gewissen Größe können in allen Zügen kostenlos und ohne Reservierung mitgenommen werden.

In den Railjets zum Beispiel, die die ÖBB tagsüber als Fernzüge einsetzen, sind nur fünf, in einigen wenigen Garnituren sieben Radplätze vorhanden. In den ÖBB-Nachtzügen ist die Radmitnahme überhaupt nur von und nach Hamburg und Zürich möglich. Und selbst wenn die Radmitnahme theoretisch möglich ist, läuft sie oft nicht glatt – mal sind die gebuchten Plätze dann doch belegt oder gar nicht vorhanden, mal zeigt das Buchungssystem keine freien Plätze an, und im Zug sind dann alle Haken frei.

Warum ist das so – und geht das nicht besser?

In Österreich wird der Nahverkehr von den Bundesländern und deren Verkehrsverbünden finanziert, der Fernverkehr hingegen von den ÖBB selbst, die ihn kostendeckend betreiben wollen. Für jeden Radabstellplatz müsse man auf mindestens einen halben Sitzplatz verzichten, sagt ÖBB-Radbeauftragte Cornelia Walch – rein wirtschaftlich sei diese Umwandlung also ein klares Verlustgeschäft, sofern die Radmitnahme nicht halb so viel kostet wie ein Sitzplatz.

Zudem schwanke die Auslastung der Radplätze stark. Plätze schaffen, die je nach Bedarf flexibel für Räder, Rollstühle oder Kinderwägen genutzt werden können, so wie es im Nahverkehr üblich ist, wolle man trotzdem nicht: Jede Gruppe solle ihren eigenen Platz haben, damit keine Konkurrenzsituation entsteht. Und bei Bedarf einfach einen weiteren Waggon anhängen, so wie es früher gemacht wurde? Die heutigen Fernverkehrszüge seien fixe, abgeschlossene Garnituren, die man nicht einfach um einen Waggon verlängern könne, und hätten außerdem schon die an manchen Bahnhöfen derzeit maximal mögliche Länge.

Das sind jedenfalls die offiziellen Antworten der ÖBB auf die Frage, warum sie nicht mehr Radabstellplätze schaffen. Inoffiziell ist aus ÖBB-Kreisen ein anderer Grund zu erfahren: Schnelle Fernzüge sollen maximal zwei Minuten lang am Bahnhof stehen. Wenn eine größere Gruppe mit Rad ein- oder aussteigt, kann das länger dauern – man halte die Möglichkeiten zur Radmitnahme daher bewusst gering.

Kleine Verbesserungen sind geplant

Als Alternative verweisen die ÖBB auf ihr Gepäck-Service, mit dem auch Fahrräder verschickt werden können, allerdings nur innerhalb Österreichs.

Die European Cyclists’ Federation (ECF) hat kürzlich 69 europäische Eisenbahnunternehmen hinsichtlich der Radmitnahme verglichen. Nur eine einzige Zugstrecke, der Intercity von Amsterdam nach Berlin, erreichte die Bestnote „exzellent“. Gut schnitten unter anderem die nationalen Bahnunternehmen der Schweiz, Belgiens, Ungarns und Deutschlands ab.

Die ÖBB landeten mit 52 Prozent der möglichen Punkte auf Platz 14, die Westbahn mit 42 Prozent noch dahinter. Relativ gut stehen die ÖBB in den Kategorien „Website-Funktionalität“, „Buchungskanäle“ und „Leihradsysteme“ da, bei den Kosten für Rad-Tickets und -Reservierungen landeten sie nur auf Platz 45, bei der Zahl der verfügbaren Radplätze auf Platz 13.

Auf vielen der untersuchten Strecken in Europa kann man Fahrräder bis heute nur gefaltet oder zerlegt als Handgepäck mitnehmen. Im internationalen Vergleich stehen die ÖBB also gar nicht so schlecht da – ein schwacher Trost für fernwehgeplagte Radler*innen.

Schon eher ein Trost: In den nächsten Jahren sind immerhin kleine Verbesserungen geplant. Die EU schreibt vor, dass ab Mitte 2025 europaweit sämtliche neuen oder generalüberholten Züge mindestens vier Radplätze haben müssen.

Schon ab Herbst 2022 wird wohl ein neuer Nightjet mit sechs Radplätzen von Österreich nach Italien fahren. Neue und neu instand gesetzte Railjets sollen praktischere Haken bekommen als manche der derzeitigen.

Und man denke auch darüber nach, Klappsitze unter den Radplätzen anzubringen, sagt Walch – im Nahverkehr habe sich das bewährt, auf Langstrecken habe man Klappsitze bisher aber für zu wenig komfortabel gehalten.

Für das Rätsel der im System nicht buchbaren, dann aber leeren Fahrradplätze gibt es übrigens eine einfache Erklärung. Radplätze in Fernzügen der ÖBB dürfen nur mit Reservierung genutzt werden. Die kostet nur drei Euro, und viele Radreisende, die noch nicht genau wissen, wann sie (zurück) fahren, buchen Plätze in mehreren Zügen, um flexibel zu bleiben. Eine Stornierung der Reservierungen lassen die ÖBB aber nicht zu – und verknappen so das ohnehin schon knappe Angebot an Radplätzen noch zusätzlich.

 

Weiterführende Links

> ÖBB – Fahrradmitnahme
> ECF – European Cyclists’ Federation – Trains for Cyclists

 


Zum Weiterlesen

Drathesel Cover DE3/21

Ja, ich möchte unbedingt die gesamte Printausgabe lesen und den Drahtesel, das österreichische Fahrradmagazin, abonnieren:

> Hier Drahtesel-Abo bestellen