Der große DRAHTESEL-Fahrradtypen-Test
Was hindert Menschen, im Alltag das Fahrrad zu nutzen? Auf diese Frage kommt regelmäßig eine Antwort: Es sei wegen der vielen Autos zu gefährlich. Mit dieser Angst, die in den verschiedensten Studien und Umfragen immer wieder zum Ausdruck kommt, befasste sich auch Roger Geller, Fahrrad-Koordinator am Office of Transportation in Portland (Oregon). Eines war Geller klar: Radfahren im Alltag darf keine Frage des Mutes sein.
Keine Frage des Mutes
Um die Sicherheitsbedenken der Bevölkerung von Portland zu berücksichtigen, entwickelte Geller im Jahr 2005 ein Modell, das die Bevölkerung in vier Kategorien einteilt (an dieses System haben wir auch unseren DRAHTESEL Selbsterkenntnis-Test auf den folgenden Seiten angelehnt): Die Gruppe der „Strong and Fearless“ (wir haben sie Heros getauft), die „Enthused and Confident“ (in unserem Test die Alltagsradelnden), die „Interested but Concerned“ (bei uns die Hoffnungsträger) und die Gruppe „No Way No How“ (bei uns die Muffel). Jede dieser Gruppen fühlt sich in verschiedenen Situationen wohl bzw. sicher.
Blickt man auf die großen Fahrradstädte wie Kopenhagen und Amsterdam, zeigt sich, dass es dort gelang, Radfahren als selbstverständliche, praktische – und freudvollste – Form der urbanen Fortbewegung zu etablieren. In diesen Städten mit „Straßen für alle“ radeln Menschen in ihren Siebzigern neben siebenjährigen Kindern selbstbewusst und sicher durch die Stadt: Ein Ziel, das auch Geller in Portland verfolgt. Anfangs als bloßes Erklärmodell angelegt, wurden die vier Kategorien in der Folge mit Tests und Studien hinterlegt, um die Größe der einzelnen Gruppen zu ermitteln.
Vier Kategorien
Zu den „Strong and Fearless“ zählten in Portland weniger als 1 Prozent der Gesamtbevölkerung: Diese Gruppe radelt bei jedem Wetter und unabhängig von den Straßenverhältnissen. Radfahren ist Teil ihrer Identität. Menschen dieser Gruppe gehören häufig zu einer Fahrrad-Subkultur wie Bike-Polo oder sind Radbotinnen und -boten. Die zweite Gruppe der „Enthused and Confident“ – sie macht in Portland derzeit rund 7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus – hat kein Problem damit, auf Straßen zusammen mit Kfz unterwegs zu sein, bevorzugt allerdings komfortable und gut gestaltete Radinfrastruktur. Es ist dieser Gruppe zu verdanken, dass sich die Zahl der Alltagsradfahrenden laut U.S. Census zwischen 1990 und 2000 verdoppelt hat. Knapp zwei Drittel der Bevölkerung gehört zur dritten Gruppe der “interested but concerned“. Diese Hoffnungsträger verfolgen neugierig Medienberichte über Fahrrad-Kultur und wachsende Popularität des Radfahrens. Sie beobachten, wie andere beim Radfahren Spaß haben und interessieren sich für die gesundheitlichen Aspekte. Allerdings wirkt sich auch die Angst vor Unfällen in dieser Gruppe am stärksten aus: knappe Überholmanöver und rücksichtslose Kfz schrecken die Hoffnungsträger ab.
Rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung gehört zur Gruppe der „No way, No how“. Diese Fahrrad-Muffel können oder wollen aus diversen Gründen (abgelegener Wohnort, gesundheitliche Probleme oder fehlendes Interesse) nicht Radfahren.
Wer sind die Hoffnungsträger?
Selbstverständlich sind die Trennlinien zwischen den Gruppen nicht immer klar zu ziehen, aber das Portland-Modell ist ein Instrument, um die unterschiedlichen Zugänge zum Alltagsradfahren zu begreifen. Auch erklärt es, warum sich Fahrrad-Interessensgruppen so vehement für sichere und komfortable Radanlagen einsetzen. Nur mit Investitionen in den Radverkehr, mit komfortabel baulich getrennten Wegen auf Hauptstraßen und echter Verkehrsberuhigung in den Seitengassen kann man Sicherheitsbedenken entkräften und Hoffnungsträger zu Alltagsradfahrenden machen.
Den großen Fahrradtypen-Test findet ihr ab Seite 23 der Printausgabe des aktuellen DRAHTESEL. Erhältlich entweder im Radshop eures Vertrauens, oder das österreichische Fahrradmagazin HIER abonnieren und per Post bekommen!
Illustrationen: Anna Hazod